von Jochen Schüller *

NASA-Frauen-in-Norden-des-Cauca-webSeit Mitte Dezember gibt es ihn endlich – dank des Kaffeekollektivs Aroma Zapatista – auch bei uns, den solidarisch gehandelten Kaffee der Indigenen Bewegung CRIC aus dem Cauca. Die Region im Südwesten Kolumbiens ist traditionell widerständig und Ursprung einer der stärksten sozialen Bewegungen des Landes. Besonders die Nasa-Indigenen haben eine lange Geschichte des Widerstands gegen die koloniale und aktuelle Herrschaft und Unterdrückung. Die Nasa bilden mit 120.000 Menschen auch die größte Gruppe der acht indigenen Völker, die im CRIC – dem regionalen Rat der Indigenen im Cauca – organisiert sind.

Vom CRIC kauft Aroma Zapatista die hochwertigen Arabica-Bohnen zu einem solidarischen Preis, so wird das Überleben und der Widerstand der indigenen Familien und Gemeinschaften unterstützt. Bislang hatte das Hamburger Kollektiv ausschließlich Kaffee der Zapatistas (Chiapas / Mexiko) im Sortiment. Die ebenso widerständigen Indigenen im Cauca haben bislang wenig Bekanntheit über die Landesgrenzen hinweg. In Kolumbien sind sie jedoch bekannt für den hohen Grad an Organisierung und ihre starken Protest- und Widerstandsaktionen. Um ihrer Forderung nach Land Nachdruck zu verleihen, besetzen sie immer wieder Fincas und Ländereien, die von Agrar-Konzernen für die Agrar-Sprit-Produktion mit Zuckerrohr bepflanzt sind oder mit Pinien für die Papierherstellung. Den Zuckerbaronen und Agrar-Rohstoff-Konzernen steht die geballte Macht des Staates zur Seite, um die Nasa an der Durchsetzung ihrer legitimen Forderungen zu hindern. Polizei und Militär sind im Umgang mit sozialen Bewegungen und ihren Protesten in Kolumbien nicht gerade zimperlich. Im Gegenteil fordern die Auseinandersetzungen bei Demonstrationen und anderen Protest- und Widerstandsaktionen oft viele Verletzte, manchmal auch Tote auf Seiten der Zivilisten. Außerdem werden die Köpfe der Bewegung regelmäßig von Paramilitärs bedroht. Auch vor Morden schrecken diese illegalen Vollstrecker staatlicher und wirtschaftlicher Interessen nicht zurück.

Doch der indigene Widerstand ist nicht zu brechen und hat in den letzten Jahren den Schulterschluss mit anderen Teilen der kolumbianischen Opposition und sozialen Bewegungen geschafft. Ausgehend von der indigenen Bewegung im Cauca fanden unter dem Namen MINGA massenhafte Proteste statt, an denen sich auch afro-kolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinschaften und Organisationen, die Zuckerrohr-Arbeiter_innen und urbane Bewegungen von Frauen, Student_innen, Gewerkschaften etc. beteiligt haben. Mit Minga bezeichnen die Indigenen eigentlich ihre kollektive Arbeit, bei der die Gemeinschaft ein Projekt beschließt und sich alle daran beteiligen, sei es die gemeinsame Ernte oder der Bau einer Schule. Seit 2004 nennen sie auch ihre Proteste MINGA.

2008 riefen die Indigenen im Cauca zur großen MINGA Indígena y Popular auf, um vereint gegen die neoliberale (Wirtschafts-)Politik des rechtsextremen Alvaro Uribe Vélez und die massive Militarisierung zu demonstrieren. Tagelange Blockaden der Panamericana legten Teile des Landes zeitweise lahm. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Spezialeinheiten der Polizei verloren drei der überwiegend indigenen Blockierer ihr Leben, über 100 wurden verletzt. In einer breit getragenen Demonstration von bis zu 30.000 Menschen wanderte die MINGA dann nach Norden bis in die Hauptstadt. Auf dem Weg durch das Land fanden in den fast sechs Wochen des Protests in vielen Städten und Dörfern Versammlung und Diskussionen statt. Unter dem Slogan „caminar la palabra“ („das Wort wandern“) trugen sie ihre politischen Botschaften durchs Land. In Bogotá schließlich campierten rund 30.000 Menschen auf dem Universitäts-Gelände, hielten einen Kongress ab und veranstalteten eine Abschluss-Demonstration, bei der auch die Gewerkschaften mit dem Dachverband CUT mitzog.
Angelehnt an diese Protestbewegung hat das Hamburger Kaffeekollektiv den neuen (Filter-)Kaffee MINGA getauft.

Der Espresso aus dem Cauca heißt KINTÍN – hier ist der Bezug der im Cauca berühmte Indigenen- und Bauern-Anführers Manuel Quintín Lame Chantre.

Quintín Lame war Nasa-Indigener aus dem Cauca. Im Jahr 1911 initiierte er eine indigene Bewegung und wollte 1914 eine indigene Republik in den Departments Cauca, Tolima, Huila und Valle errichten. Dazu organisierte er mehrere Aufstände. 1915 wurde er das erste Mal gefangen genommen. Nach mehreren Monate wieder frei, zettelt er wieder neue Aufstände an und führt einen Überfall auf Inzá an, bei dem es zu Toten und Verletzten kommt . Er wird durch das gesamte Department Cauca gejagt und schließlich gefasst. Bis 1921 verbringt er im Knast. Nach der Freilassung zieht er sich ins Department Tolima zurück , schreibt das Buch „En Defensa de mi Raza“ und agitierte für die Verteidigung der Resguardos (Reservate) und ihre Erweiterung, fordert die Menschen auf sich ihrer Rechte bewusst zu werden, sich zu organisieren und ihre eigenen Vertreter_innen zu wählen. Seine Ideen wurden in den 70iger Jahren vom CRIC aufgegriffen. Seinen Namen trug später auch eine indigene Guerilla im Cauca, die im Friedensprozess 1991 die Waffen niederlegte.

Den dritten Kaffee im neuen Sortiment nennen die Kollektivist_innen ESTRELLA fusión. Der Espresso ist eine Mischung von Arabica-Bohnen aus Chiapas und dem Cauca – quasi das Zusammentreffen der beiden indigenen Widerstandsbewegungen.

Bestellung und mehr Infos unter: https://www.aroma-zapatista.de

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Kaffee-Pflücken-Cauca-4-JS-webDer Regionale Rat der Indígenen im Cauca (CRIC)

Seit seiner Gründung im Jahr 1971 wird der regionale Rat der Indigenen im Cauca (CRIC) verfolgt und kriminalisiert. Damals wollten Großgrundbesitzer und regionale Politiker und ihre bewaffneten Schergen eine Indigene Bewegung und Organisierung im Keim ersticken. Doch die Selbstorganisierung der Indigenen im Cauca konnten sie nicht verhindern. Der Widerstand gegen Kolonisierung und Unterdrückung hat eine lange Geschichte und führte 1971 zur Gründung des regionalen Rates der indigenen Gemeinden im Cauca, dem Consejo Regional Indígena del Cauca. Damals standen besonders der Kampf gegen die „terraje“ – eine Art Frondienst, sowie die Frage nach eigenem Land im Vordergrund des Kampfes der indigenen Bevölkerung, die hauptsächlich als KleinbäuerInnen ihr Überleben bestritten. Diese Selbstorganisierung der Indigenen im CRIC begann im kleinen Ort Jambaló im Norden des Cauca. Diese Region ist seither als widerständig bekannt ist und auch heute der Ausgangspunkt vieler Proteste und Mobilisierung.

Der CRIC vertritt heute einen Großteil der indigenen Bevölkerung im Cauca. Dazu zählen verschiedene indigene Völker („pueblos indígenas“): die Nasa (Paez), Totoró, Yanaconda, Guambiano, Guanaco, Kokonuko, Inga, Eperaras. Alle haben ihre eigene Kultur und Identität und – mit Ausnahme der Yanaconda – auch ihre eigene Sprache behalten.

Die Nasa sind mit einer Bevölkerung von rund 120.000 Mitgliedern die bei weitem größte Gruppe.

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* Jochen Schüller ist freier Journalist in Hamburg und hat Kolumbien und die Nasa-Indigenen im Norte del Cauca mehrfach besucht. Von 2003 – 2013 war er Beauftragter von Brot für die Welt für Öffentlichkeitsarbeit zu Kolumbien und leitete ein Menschenrechtsprojekt. Er ist Mitglied der Kolumbiengruppe Hamburg.

Fotos: © Jochen Schüller

Dieser Artikel erschien im Februar 2016 in der ILA – Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika: www.ila-web.de